Hauseigentümerverband

(erstmals erschienen im Federblatt Nr. 22, veröffentlich mit freundlicher Genehmigung des Autors Harald Bollinger und des Redakteurs Samuel Streiff)

Wenn Fernweh und die Freude an alten Fahrzeugen zusammentreffen, dann resultiert daraus nicht selten ein zum Wohnwagen umgebauter Autobus, also ein Wohnbus. Die Besitzer dieser Fahrzeuge treffen sich seit 1978 regelmässig – die Wohnbusgemeinde ist somit die älteste Gemeinschaft von Nutzfahrzeug-Oldtimern in der Schweiz. Zwei Besitzer von motorisierten Eigenheimen berichten in den folgenden Seiten über die Geschichte und die Eigenarten der Szene.

Einige Wohnbusbesitzer sind oder waren mit Ihren Fahrzeugen schon seit Jahrzehnten in ganz Europa, in Asien, Afrika oder sogar in Amerika unterwegs. Die Wohnbusszene ist denn auch älter als der Boom nach Saurer, Berna und FBW Fahrzeugen, nachdem deren Hersteller die Tore für immer geschlossen haben.

Die Ursprünge liegen denn bereits 22 Jahre zurück, also im Jahre 1978: Sigi Imfeld aus Sachseln wollte ein Wochenende mit Gleichgesinnten verbringen und setzte sich mit Heinz Eichelberger in Verbindung, nachdem dessen Wohnbus in der Saurer-Kundenzeitschrift Formel D vorgestellt wurde. Heinz beteiligte sich an diesem Treffen und nahm Michael Roost, ebenfalls Wohnbus-Besitzer, mit.

Diese Idee begeisterte: Noch im selben Jahr fand ein nächstes Treffen statt. Auch 1979 und 1980 trafen sich die Wohnbusbesitzer wiederum zu Treffen und Ausfahrten, wobei der Teilnehmerkreis stetig grösser wurde. Soweit blieben dies die «prähistorischen» Anlässe.

Offiziell als erstes Treffen wurde 1982 dasjenige auf dem Seelisberg mit einem Corso nach Weggis bezeichnet. Die Zeitschrift «Bus Oldtimer Infos» (BOI) kommentierte den Anlass ausgiebig. Erstmals wurde eine Parkordnung erstellt – sortiert nach Normal- und Frontlenkern. Im darauffolgenden Jahr wurde sogar mit Aufruf in der Automobil Revue geworben. In Schwarzsee und Murten versammelten sich bereits gegen Hundert Busse – egal, ob Wohnbus oder Busoldtimer und egal, ob restauriert oder unrestauriert. Einziges Kriterium: die Freude an den Fahrzeugen und die Freude, ein Wochenende unter Gleichgesinnten zu verbringen. Das Bus-Oldtimer- und Wohnbustreffen wurde definitiv zur Institution – es hat sich eingebürgert, dass es stets am dritten, ganz im August liegenden Wochenende stattfindet. Hinter dem Anlass steht nicht etwa ein Verein, sondern die Wohnbusbesitzer bestimmen am Treffen selber jeweils das Organisationsteam für das nächste Jahr.

So folgte Treffen um Treffen – jedes Jahr eines. Regelmässige Besucher schätzen die Gastfreundschaft und Offenheit; es ist üblich, das Fahrzeug stets für Gäste offen zu halten. Jeder Wohnbus ist eine Gartenbeiz – die Vielfalt der Grillkonstruktionen ist ebenso eindrücklich wie die Fahrzeuge selber.

Das 19. «offizielle» Treffen ging am 19./20. August 2000 über die Bühne. Mit dabei waren über hundert Auto- und Wohnbusse. Deren Bewohner feierten ihr besonderes Wochenende.

Fernweh alleine genügt aber nicht, um ein begeisterter Wohnbusbesitzer zu sein. Es gehört dazu auch eine gehörige Portion Freude an diesen Fahrzeugen, technisches Wissen und Geschick. Ohne diese Attribute kommt ein Wohnbusprojekt wohl nicht über die Planungsphase hinaus. Denn der Innenausbau wird fast ausschliesslich selber gemacht und die Arbeiten am Chassis oder an der Karosserie dürfen das Projektbudget auch nicht sprengen. So trifft man unter den Wohnbusbesitzern immer wieder auf ausgewiesene Fachleute in Sachen alter Nutzfahrzeugtechnik. Dieses Know-how kommt gelegentlich auch den «richtigen» Oldtimer zu Gute, zum Beispiel in Form von Ratschlägen im Freundes- oder Bekanntenkreis. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist auch das Ersatzteilreservoir, welches in Form dieser Fahrzeuge herumfährt oder welches in den Gestellen der Wohnbusbesitzer gelagert ist. So leisten Sie einen wertvollen Beitrag zur Artenvielfalt und zur Artenerhaltung.

Die Frage, ob ein Wohnbus zu den Nutzfahrzeugoldtimern oder zu den Eigenbau-Campern gezählt werden soll, ist für die Wohnbusbesitzer kaum relevant, denn die bedürfnisgerechte Nutzung steht vor dem Streben nach einer originalgetreuen Erhaltung. Schliesslich darf man auch die finanziellen Aspekte nicht ausser Acht lassen: Nicht alle können oder wollen sich ein grosses Nutzfahrzeug leisten, das wohl fährt, von dem sie aber keinen direkten Nutzen ziehen können. Die Wohnbusse bleiben also auch in Ihren alten Tagen noch richtige Nutzfahrzeuge, mit Betonung des Attributs «Nutz». Der Wohnbus ermöglicht eine kostengünstige Ferienart oder eine Alternative zum Wohnwagen oder Camper.

In keinem anderen Land wie der Schweiz entwickelte sich die Wohnbusszene so gut. Die Voraussetzung bildete die Verfügbarkeit von alten Bussen, welche ihres fortgeschrittenen Alters wegen nicht mehr im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden konnten, die aber technisch in einem Zustand waren, wo sich eine Umnutzung durchaus noch lohnen konnte. So waren es in den Anfängen hauptsächlich Schnauzer- Postautos und Busse von konzessionierten Unternehmungen – nicht allzu gross, dafür handlich und robust. Ausgediente Reisewagen boten bereits mehr Fahrkomfort, dafür gelangten sie mit höheren Kilometerleistungen zur weiteren Verwendung als Wohnbus.

Neben Bussen eigneten sich auch Lastwagen – geschlossene Kastenwagen oder mit nachträglich aufgebauten Kasten – als rollende Ferienwohnung. Dem heutigen Verwendungszweck entsprechend zählen diese Fahrzeuge ebenfalls zu den Wohnbussen.

Äusserlich blieben die Fahrzeuge häufig im Originalzustand. Möbel welche die Fensterlinien überragten wurden mit gezogenen Vorhängen getarnt. Die Wohnraumeinteilung ergab sich aus der Stehhöhe, durch die Tür- und Fensteranordnung. Analog den käuflichen Wohnwagen wurden Tische und Bänke abends zu Betten umfunktioniert. Das Frischwasser wurde mit einer Tauchpumpe aus einem Kanister gefördert und Abwasser floss zurück in einen Eimer.

Die beschränkte Höchstgeschwindigkeit, der Federungskomfort oder eine auf sich gezogene Aufmerksamkeit nahm man gerne in Kauf, wenn dafür der Erlebniswert der Ferien gesteigert werden konnte.

Mit der Ausmusterung von Frontlenkern stand dann mehr Platz zur Verfügung. Nach den Schnauzern gelangten Fahrzeuge wie der Saurer 3DUX, 3DUK, FBW 50U oder ähnliche Busse – auch ausländische Fabrikate – auf den Wohnbusmarkt. So wurde es möglich, die Ausbauten grosszügiger zu gestalten: Eltern- und Kinderschlafzimmer, Nasszellen mit fest eingebauter Toilette und Dusche sowie Wohnküchen mit fest montiertem Tisch, Absorberkühlschrank, Warmwasserboiler oder sogar einem Gasbackofen. Für alle Geräte, für Frisch- und Abwassertanks waren nun zahlreiche Karosseriedurchbrüche für Lüftungsgitter, Kamine und Einfüllstutzen notwendig. Heute sind auch 12 Meter lange und 2,5 Meter breite Stadtomnibusse als Wohnbusse unterwegs wo der Besucher das Gefühl bekommt, in eine Dreizimmerwohnung einzutreten.

Bei den Wohnbussen treten die verschiedensten Welten aufeinander: Da sind zum einen Fahrzeuge, welche optisch in tadellosem Zustand daherkommen. Bedingt durch den Umbau zum Wohnbus kann man ihnen das Attribut «Originalzustand» nicht verleihen – diese Fahrzeuge sind jedoch in einer Art erhalten, dass der Charakter des jeweiligen Karosserietyps möglichst unverfälscht geblieben ist. Nicht selten wird diese Substanz so erhalten, dass der Bus zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Originalzustand, zu einem bestuhlten Busoldtimer zurückversetzt wird.

Unter den Wohnbussen trifft man auch immer wieder spezielle Fahrzeuge- Einzelstücke, Prototypen oder sonstige Raritäten – welche ohne ihr Wohnbusdasein schon längst den Weg alles irdischen gegangen wären und welche wir deshalb heute nur noch von Fotos her kennen würden.

Andere Wohnbusse erfuhren einen einschneidenden Umbau, wobei der Fantasie kaum Grenzen gesetzt werden. Im Gegensatz zum Wohnwagen oder zu einem Camper braucht man bei den üppig dimensionierten Wohnbussen kaum aufs Gewicht zu schauen, weshalb es denn auch einmal Massivholzmöbel oder anderes gewichtiges Zubehör sein darf. So erlangen diese Fahrzeuge ihre Originalität durch den exklusiven oder individuellen Umbau. Es entstehen neue, kreative Lösungen auf dem Gebiet des Fahrzeugbaus.

Wiederum andere Fahrzeuge wurden ausschliesslich nach nutzbringenden Gesichtspunkten auf ihre neue Aufgabe umgerüstet. Dass äussere Kleid erfährt dann vielleicht nur so viel, wie es für die Zulassung nötig ist – man muss sich aber auch vor Augen halten, dass sich nicht jede oder jeder eine komplette Aussenrenovation in einem Rutsch leisten kann! Anstelle des dafür notwendigen Bankkredits werden dann eher die Renovationsarbeiten in Raten abgestottert.

Sofern vom Strassenverkehrsamt zugelassen erfüllen die Wohnbusse dieselben technischen Anforderungen wie restaurierte Nutzfahrzeugoldtimer. Und schliesslich möchten die Bewohner der Wohnbusse möglichst stressfrei in die Ferien verreisen können- denn Ersatzteile für alte Saurer, Berna, FBW usw. gibt es bekanntlich nicht an jeder ausländischen Tankstelle.

Die Wohnbusse können vielleicht keine Schönheitspreise an Oldtimerausstellungen gewinnen. Dafür bürgen Sie für eine Szene, wo das gemeinsame Hobby tolerant gelebt wird, wo viel gelacht wird und Freundschaften gepflegt werden. Diese menschlichen Qualitäten gibt es hier im Original – sie brauchen nicht restauriert zu werden.

Harald Bollinger, Rudolf Hert

 

Sigi Imfeld hat mir verdankenswerterweise diese beiden Artikel aus der Anfangszeit zur Verfügung gestellt.

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